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Die Germanen - Die Erben Rom´s




Als Germanen wird eine Anzahl von Stämmen in Mitteleuropa und im südlichen Skandinavien bezeichnet, deren ethnische Identität die Forschung traditionell über die Sprache bestimmt. Sprachzeugnisse, die gegenüber den rekonstruierten indogermanischen Dialekten die erste (germanische) Lautverschiebung aufweisen, gelten als Beleg für germanische Völker.

Ab der Zeitenwende prägte der Kontakt mit den Römern die germanische Welt, wie auch die Entwicklung des Römischen Reichs sich dann zunehmend mit der germanischen Welt verband. In der Spätantike entwickelten sich aus der Vielzahl germanischer Stämme einige größere Völker, welche über weite Entfernungen innerhalb Europas und den angrenzenden Regionen wanderten. Einige gründeten Reiche nach antikem römischen Vorbild. Elemente der germanischen Religion und des religiösen Brauchtums wurden unter anderem durch Akkommodation in das angenommene Christentum übertragen.

Dieser Artikel beschreibt die allgemeine Geschichte der germanischen Völker beginnend vor der Zeitenwende bis in die Spätantike. In der Forschung wird auch die Geschichte Skandinaviens bis ins Mittelalter im germanischen Kontext gesehen. Die Geschichte einzelner Stämme, die germanische Mythologie und die germanischen Stammesrechte sind Thema weiterer Artikel.

 


Kampftaktik und Bewaffnung der Germanen unter Arminius




Wie konnte es den Germanen unter Arminius gelingen sich erfolgreich gegen die Römer zur Wehr zu setzten, wo doch bei vorhergehenden Kämpfen, germanischer Heere auf rechtsrheinischen Boden, die einheimischen Stämme fast ausnahmslos Niederlagen gegen die römischen Legionäre erlitten haben? Da sich die Bewaffnung der germanischen Krieger aller Wahrscheinlichkeit nach, in den Jahren der römischen Okkupationsbemühungen, nicht entscheidend geändert hat, kann es nur sein, dass Arminius generell eine Taktik angewandt hat, die sich von der vorherigen Kampfweise ausschlaggebend unterschieden hat.


Nach den Angaben des Tacitus, die durch die Archäologie teilweise bestätigt wurden, bestand die Ausrüstung eines germanischen Kriegers in erster Linie aus langen Speeren, Framen genannt, die für den Fern- und Nahkampf genutzt wurden. Sie wurden entweder vorne mit einer schmalen und kurzen Eisenspitze versehen, oder deren Holz wurde an der Spitze durch Feuer gehärtet. Die Germanen benutzten auch Wurfspeere die sie nach Tacitus ungeheuer weit werfen konnten. Ihre Schilde waren rund oder Oval und wurden aus schmalen Brettern oder Weidengeflecht zusammengefügt. Nur wenige Germanen verfügten über Pferde, Schwerter, Helme und eine Rüstung, und Pfeil und Bogen wurden von ihnen, wenn überhaupt, dann nur zur Jagd benutzt. Diese Tatsache der im Vergleich zu den Römern minderwertigen Bewaffnung ist nicht verwunderlich, denn bei den germanischen Soldaten handelte es sich im Allgemeinen nicht um Berufssoldaten, deren einzige Aufgabe es war einen Krieg zu führen, oder sich auf einen solchen vorzubereiten.


Römische Legionäre mit Marschgepäck


In Friedenszeiten war der potenzielle Germanenkrieger jemand der sich und seine Sippe durch Ackerbau, Viehzucht, Jagd und Fischerei am Leben erhielt. Eisen war im Allgemeinen rar und kostbar, und von einer vielmehr minderen Qualität, so dass es, wenn es vorhanden war, nicht ausreichte um für eine umfassende Bewaffnung zu sorgen. Es war nach aller Wahrscheinlichkeit auch so, dass eine Armee aus derartig ausgerüsteten Kriegern nicht über eine angedrillte Disziplin und ausgefeiltes taktisches Verständnis verfügte, und so nur in der Lage war, einen massiven und unkoordinierten Frontalangriff auf ein gegnerisches Heer zu führen. Bevor die Römer in Germanien erschienen, wurden vermutlich die meisten kriegerischen Auseinandersetzungen unter den Germanenvölkern auf die gleiche Art ausgetragen. Zwei verfeindete Heere standen sich mit gleicher oder ähnlicher Bewaffnung gegenüber und stürzten bei einem Angriff mit aller Wucht dichtgestaffelt aufeinander los. In einem solchen Fall war die Entscheidung über einen Sieg von dem Mut und Entschlossenheit, der Anzahl und der Bewaffnung der Kämpfer abhängig. Diese Kampfweise erwies sich aber gegen ein in Schlachtformation aufgestelltes römisches Heer als nicht wirkungsvoll, denn bei einem Frontalangriff auf eine Schlachtreihe vollbewaffneter Legionäre, wirkte sich die Überlegenheit der römischen Bewaffnung und Kampftaktik aus. Gerade für diesen Zweck waren die Soldaten Roms geschult und ausgerüstet.


Griff ein Heer eine in Schlachtformation stehende römische Legion an, so ließen die Legionäre die feindlichen Kämpfer zuerst auf Wurfdistanz ihrer Piliums (Wurfspeere) herankommen, um diese Waffen dann gleichzeitig gegen den anrennenden Gegner zu schleudern. Eine Eigenart dieser Lanzen war, neben der Tatsache dass sie optimal ausbalanciert waren und ein relativ hohes Gewicht besaßen, was sie zielgenauer machten und ihnen eine enorme Durchschlagskraft verliehen hat, der Umstand, dass sich der weiche Eisenschaft vor der Spitze beim Aufprall verbog, so dass sie vom Feind nicht wieder als effektive Waffen zurückgeworfen werden konnten. Traf dieser Wurfspeer einen Gegner so war die Wirkung im günstigsten Fall tödlich. Zumindest führte ihr Auftreffen auf einen Körper zu schweren Verletzungen. Gelang es dem anrennenden Germanenkrieger das Wurfgeschoss mit seinem Schild abzuwehren, so bohrte sich das Pilium so tief und fest in den Schild, dass er ihn nicht ohne weiteres während der Kampfhandlung herausziehen konnte, und somit für den Kampf unbrauchbar wurde. Seiner Deckung beraubt war im Folgenden dieser Kämpfer ein leichter zu besiegender Gegner, für die in dichter und geordneter Schlachtreihe stehenden Legionäre. Die Widersacher, die diese erste römische Attacke unversehrt überstanden hatten, entwickelten dann trotzdem vielleicht noch einen beachtlichen Angriffsdruck auf die Römer, der die ersten Reihen in Unordnung bringen konnte, doch wenn diese Angriffsschwung zum Stillstand kam, und sich die Kontrahenten auf engem Raum bekämpfen mussten, dann zeigte sich der Vorteil der römischen Ausrüstung. Geschützt durch ihre Rüstungen aus sorgfältig gearbeiteten Kettengliedern oder aneinandergefügten Metallplatten die den Rumpf des Körpers schützten, mit dem Helm, der fast den ganzen Kopf inklusive den Nacken abschirmte und dem Scutum (Schild) der eng am Leib geführt wurde, bot der Legionär kaum verletzungsanfällige Körperteile. So beschirmt nutzte er sein Schwert (Gladius) um auf seinen Gegner einzustechen. Diese Kämpfe die die Germanenheere gegen die Römer auf diese Art geführt haben, endeten, vor der Zeit des Arminius, fast immer mit einer Niederlage für die Germanen.



Germanische Krieger mit Bewaffnung



Arminius kannte diese römische Überlegenheit im Feldkampf, und musste, sollte sein Aufstand erfolgreich sein, sich eine Taktik zurechtlegen, mit der er gegen die Legionäre Roms bestehen konnte. Wie die Beschreibungen der Kämpfe zwischen Arminius und Germanicus in den Annalen des Tacitus erkennen lassen, vermied es der germanische Heerführer nach Möglichkeit immer, die in Schlachtformation aufgestellten, römischen Legionen frontal anzugreifen. Sein Angriffziel, während einer Schlacht, waren in der Regel Ergänzungseinheiten einer Legion, zum Beispiel germanische Hilfstruppen, Bogenschützen und Reitereinheiten, die er oft siegreich bekämpfen konnte. Den römischen Legionären stellte er sich nur, wenn sie sich auf dem Marsch befanden, denn da war das römische Heer verwundbar. Die auseinandergezogene Marschkolonne bot den Germanen vielfältige Angriffsmöglichkeiten, da die Legionäre, jeder für sich war mit etwa 50 Kilogramm Marschgepäck und Bewaffnung belastet, im Falle eines Überraschungsangriffes bei weitem nicht so beweglich waren, um sich effektiv gegen einen von hinderlichem Gepäck befreiten Angreifer zur Wehr zu setzten. Der römische Soldat brauchte einige Momente um sich gefechtsbereit zu machen und eine Attacke abzuwehren. Auch gab es bei einem germanischen Frontalangriff auf die Flanke einer römischen Marschkolonne in dem Augenblick nicht genügend Verteidiger um gemeinschaftlich den Angriff zurückzuschlagen. Diese Attacken wurden nach der Devise“ Hit and Go“, zuschlagen und zurückweichen, vorgetragen und fügten den Legionen empfindliche Verluste zu. Zudem wählte sich Arminius mit Bedacht die Kampfplätze aus, wo er sich den Römern entgegenstellen konnte, und suchte sich Geländeprofile die er zu seinem Vorteil umwandeln konnte. Engpässe waren für solche Übergriffe geradezu ideal, weil sich hier die Legionen nicht zu einer massiven Abwehr aufstellen konnten. Und auch bei dem Ort der Varusschlacht muss man von der Tatsache ausgehen, dass der Kampf in erster Linie an einem langgezogenen Engpass ausgetragen wurde.


Der vermutliche Ablauf der Varusschlacht


Der hier dargestellte Ablauf der Varusschlacht beruht auf den Indizien und Beweisen die in den vorangegangenen Kapiteln herausgestellt wurden. Trotzdem handelt es sich hierbei in weiten Teilen um eine fundierte Spekulation, die letztendlich erst durch einwandfreie archäologische Ergebnisse bestätigt werden kann.

Warum sich dieser Aufstand entwickelte, der für die Römer in einer Katastrophe endete, ist wohl in erster Linie im Verhalten der Besatzer zu suchen. Durch überhebliches Vorgehen gegen die Germanen, so wie es sich oftmals in der Vergangenheit zugetragen hat, als sich die Eroberer als die besseren Menschen fühlten und sich dementsprechend verhielten, versuchten die Römer ihre vermeintlich höherstehende Kultur den Germanen aufzudiktieren. Die einheimischen Riten und die Art der germanischen Rechtsprechung ersetzte Varus durch römische Gesetze und Verordnungen die dem Weltbild der Germanen zutiefst widersprachen. Dazu kamen sicherlich auch hohe Steuern und Tributzahlungen die die feindliche Gesinnung der Germanen hervorrief oder  noch zusätzlich verstärkte. Bei der allgemeinen Unzufriedenheit in den von Rom kontrollierten Territorien fehlte nur noch jemand der die Lunte ansteckt, die das Pulverfass Germanien zum Explodieren bringt.

Als Arminius aus römischen Gebieten zurück in seine Heimat kam, vermutlich um die Nachfolge seines Vaters als Stammesführer eines cheruskischen Teilstammes anzutreten, hatte er wahrscheinlich noch keine allzu umfassende Anhängerschaft und kaum bedeutenden Einfluss auf die Germanenvölker. Dazu war er mit seinen 25 Lebensjahren noch zu jung, und gleichzeitig auch zu lange aus seiner Heimat abwesend. Man kann sich aber vorstellen, dass er einen gewissen Eindruck als weitgereister und erfahrener Kämpfer auf seine Stammesgenossen machte, deren letzte große kriegerische Auseinandersetzung schon Jahre zurücklag. Zudem war er sicherlich auch eine außerordentliche Persönlichkeit die eine besondere Ausstrahlung besaß.

Gleichzeitig war es ihm durch seine Kenntnis der römischen Bräuche und der lateinischen Sprache möglich bei Varus ein gewisses Ansehen zu erreichen und sich als germanische Vertrauensperson anzubieten. Mit seinem wachen Verstand erkannte er, dass sich das Augenmerk des Kaisers Augustus, wenn der Krieg auf dem Balkan zu Gunsten Roms beendet sein würde, wieder verstärkt Germanien zuwenden würde. Arminius war schließlich in der Lage die römischen Unterhaltungen zu verstehen und sich gleichzeitig an den Gesprächen zu beteiligen. So erkannte er die politischen Absichten der Römer, und wusste durch seine Anwesenheit bei der römischen Armee, wie Rom seinen Willen durchsetzte. Dabei hat er sicher auch die tiefe Abneigung des Varus und der römischen Besatzer, gegenüber den germanischen Sitten und Gebräuchen bemerkt. Arminius war gewiss ein Idealist dem das verschwinden der eigenen Kultur und der Verlust germanischer Identität zuwider war. Dieses schien sich endgültig abzuzeichnen, wenn die Römer ihren Machtbereich weiter in Germanien ausdehnen sollten.

Denkbar ist es, dass unter den Germanen bei einer religiösen Thinkfeier, die in regelmäßigen zeitlichen Abständen an heiligen Stätten der Germanen  abgehalten wurde, der Aufstandsplan geschmiedet wurde. Hier mögen gleichgesinnte Germanen ihre Unzufriedenheit über die römische Herrschaft geäußert haben. Da hier normalerweise viele Germanenkrieger aus verschiedenen Stämmen anwesend waren, konnte Arminius hier auch wahrscheinlich einen großen Teil seiner Gefolgsleute rekrutieren. Sein Aufstandsplan fiel sicherlich bei vielen Kriegern auf fruchtbaren Boden und erntete begeisterten Zuspruch. So rekrutierte sich der überwiegende Teil seiner Gefolgsleute vermutlich aus den jungen Kriegern der Cherusker, der Brukterer und Marser, sowie die Reste der Sugambrer und Usipeter, die sowieso nicht mehr viel zu verlieren hatten.

Andererseits scheinen sich auch viele Cherusker mit den Römern arrangiert zu haben, und waren nicht gewillt sich gegen ihre Besatzer zu erheben. Denn das Beispiel des cheruskischen Stammesoberhauptes Segestes, der Varus vor diesem Feldzug warnte und damit den geplanten Hinterhalt des Arminius verriet, zeigt dass die römische Lebensart auch für einige Germanen durchaus auch seine Vorteile hatte. Auch Igumerus, ein einflussreicher Cheruskerfürst, schlug sich erst auf die Seite von Arminius, als sechs Jahre später Germanicus seine Germanienfeldzüge begann, und lässt gleichfalls erkennen, dass dieser Aufstandsplan nicht bei allen Germanen Zuspruch erlangte.

Doch trotz allem handelte es sich bei seinen Kämpfern zum größten Teil, nur um eine Horde schlecht bewaffneter Bauernkrieger, von denen nur wenige in römischen Diensten bei Hilfstruppeneinheiten, auf anderen Kriegsschauplätzen im römischen Reich militärische Erfahrung gesammelt hatten, und die gleichzeitig auch in der taktischen Kriegsführung ausgebildet waren. Die überwiegende Mehrheit seiner Armee hatte ihre kämpferische Erfahrung allenfalls in früheren Jahren bei Scharmützeln gegen die Römer gesammelt, die fast ausnahmslos in klaren Niederlagen für die Germanen endeten. Oder sie hatten an kleineren Stammeskriegen untereinander teilgenommen, die aber bei weitem nicht die Erfahrung für die Germanenkrieger brachte, die man bräuchte, um die kampferprobten römischen Legionäre erfolgreich offen herauszufordern. Auch konnte Arminius mit seinem Heer kein auf einen großen Kampf antrainierendes, Manöver abhalten, durch die er seine Soldaten auf eine Schlacht mit großen Menschenmassen, und gleichzeitigen taktischen Varianten vorbereiten konnte. Diese Tätigkeiten wären den römischen Besatzern nicht verborgen geblieben, und hätten ihr stärkstes Misstrauen erregt.

Diesem germanischen Truppenzustand stand die hochgerüstete und kriegserprobte Kampfmaschinerie der Römer gegenüber, die dem Heer des Arminius in fast allen militärischen Belangen klar überlegen war.Obwohl sein Heer durch die in Aussicht gestellte Freiheit vom römischen Joch, hoch motiviert der Konfrontation entgegenfieberte, wusste Arminius sicherlich, dass er Varus nicht so ohne weiteres die Stirn bieten konnte, denn in einem solchen Gefecht konnten die verschiedenen römischen Truppenteile, der Reiter, der Schleuderer, der Bogenschützen und der gepanzerten Legionäre ihre Stärken entfalten, und sich gegenseitig im Kampf unterstützen. In einer derartigen Feldschlacht sind schon vorher viele andere germanische Heere von den Römern vernichtend geschlagen worden, und auch dieses Mal rechnete sich Arminius logischerweise bei einem solchen Kampf keine Chance aus.

Auch schied ein Angriff auf die palisadenumwehrten, und gut besetzten Standlager aus, denn die Germanen verstanden sich nicht auf die Kunst des Belagerns. Außerdem hätte er durch solches Handeln den Römern Zeit verschafft, und ihnen dabei Gelegenheit zu einem konzentrierten Vergeltungsschlag gegeben, und auch gleichzeitig eine Gegenreaktion der römerfreundlich gesinnten Germanen gegen ihn heraufbeschworen.Da Arminius wusste wie die feindliche Kriegsmaschinerie wirkte, er hatte ja an der Seite der Römer gekämpft und ihre vernichtende Wirkung auf ihre Gegner kennen gelernt, musste er eine Taktik wählen, die der Kampfweise des Gegners widersprach. Außerdem war Arminius sicher nicht in der Lage eine Truppenstärke aufzubieten, welche die Römer auf normalem Terrain in Bedrängnis bringen konnten. Es blieb Arminius nichts anderes übrig als sich für diesen Angriff ein Gelände und eine Kampftaktik zurechtzulegen, welches den vermeintlichen Vorteil der Römer ins Gegenteil verkehrte.

Arminius konnte mit seinen Aufstandsbemühungen nur Erfolg haben, wenn es ihm gelang die Römer in einem überraschenden Schlag anzugreifen, um dabei die einzige Angriffstaktik anzuwenden die seine Kämpfer beherrschten: Der massive Ansturm auf die gegnerischen Formationen. Dabei war es von entscheidender Wichtigkeit dass er mit seinen Kriegern unbemerkt in die Nähe des römischen Heeres gelangen musste, um dann überraschend Attacken vorzutragen und ihnen durch dieses Vorgehen keine Gelegenheit zur koordinierten Gegenwehr zu geben. Dieses war nur möglich, in dem Arminius die Kriegslist des Hinterhaltes anwendete.



Zug des Varus

Rote Linie = Zugrichtung der drei Varuslegionen aus Anreppen, Haltern und Vetera durch den Achterhoek

Gelbe Linie = Zugrichtung der zwei Asprenaslegionen zur Hoogen Veluwe

Blaue Linie = Zugrichtung des Germanischen Heeres in den Achterhoek

Diesen Hinterhalt, den er ausarbeitete, als Verrat, Hinterlist oder Niedertracht zu werten, wie es einige römische Autoren im Nachhinein gemacht haben ist müßig, denn im Krieg heiligt der Zweck nun einmal die Mittel. Die Römer waren ihrerseits in ihrer langen Geschichte auch nie ein Inbegriff der kämpferischen Fairness, und es war im Gegenteil Ruhmvoll für einen römischen Heerführer, wenn er einen Gegner listenreich und durch minimale eigene Verluste niederringen konnte. Als ein Beispiel können die Umstände dienen, die sich im Vorfeld der Sugambrerdeportation ereignet haben, als Tiberius die Führer dieses Germanenstammes entgegen der Parlamentärsregeln festsetzte und sich damit einen entscheidenden Vorteil verschaffte.

Der niederländische Achterhoek bot für diesen Hinterhalt ideale Vorrausetzungen, denn er war damals nur über einen schmalen Höhenrücken für ein größeres Heer zu durchqueren. Die umliegende Umgebung dagegen, war ein sumpfiges Gelände, dass nur Menschen mit genauer Ortskenntnis betreten konnten, und für einen unkundigen Legionär, zumal mit seiner schweren Ausrüstung und Waffen bepackt, schier grundlos, und damit scheinbar undurchdringlich war. Für die Germanen jedoch boten sich hier ideale Bedingungen für einen Kampf. Leichtbewaffnet und ortskundig konnten sich die germanischen Verbände durch dieses Gelände vorwärts bewegen und die Römer nach Belieben attackieren.Arminius brauchte nur den römischen Statthalter Varus dazu veranlassen, diesen Weg mit seinem Heer zum vermeintlichen Krisengebiet in der Hogen Veluwe zu benutzen. Die Hooge Veluwe war in frühgeschichtlicher Zeit ein Landstrich der gleich einer Insel aus einer sumpfigen Umgebung herausragte. Ein erster Versuch dieses Gebiet unter römische Kontrolle zu bekommen, unternahm schon der römische Feldherr Drusus in der Anfangszeit der Germanenkriege. Doch ein durchschlagender Erfolg war ihm nicht möglich, weil es die Germanen verstanden, sich beim heranrücken der Legionen durch Rückzug in unzugängliche Gegenden der Konfrontation zu entziehen. Wenn jedoch verschiedene Angriffsspitzen diese Sumpfinsel umstellten würden war es theoretisch möglich dieses Gebiet von den Aufständischen Germanen zu bereinigen und damit den Unruheherd zu beseitigen.

Zug des Varus in den Achterhoek

Grüne Linie =  Mutmaßliche Zugrichtung des Varusheeres

Blaue Pfeile = Mutmaßliche germanische Angriffsspitzen

Rote Linien = Absatzbewegungen des geschlagenen Varusheeres Richtung Rhein und nach Aliso

Schwarzer Punkt = Fundstelle der römischen Handmühle

Damit Varus diese Angriffstaktik wählte, sollten sich die Sugambrer, nach Anweisung von Arminius, in ihrem niederländischen Restterritorium verstärkt gegen die Römer auflehnen und deren Einrichtungen attackieren. So war für den römischen Statthalter der Anlass gegeben, gegen die Sugambrer in der Hogen Veluwe vorzugehen. Varus wusste wie Arminius auch, dass der Krieg in Dalmatien und Pannonien zugunsten der Römer entschieden war. Da er ein Machtmensch war und auf der Karriereleiter weiter aufsteigen wollte, musste er nun seinerseits in Germanien Erfolge aufweisen. Denn durch den Sieg über die pannonischen und dalmatischen Völker würde Augustus auch wieder seine Expansion ins östliche Germanien fortsetzen. Da würde ein nicht unterdrückender Aufstand in seinem Verwaltungsgebiet für den römischen Statthalter ein schlechtes Bild darstellen. So war es für Varus das vorrangige Ziel, den Unruheherd im Achterhoeck und der Hogen Veluwe, endgültig zu bereinigen, um so in Rom als fähiger Statthalter, der in schwierigen Situationen die Oberhand behält, angesehen zu werden.

Der Plan den Varus verfolgte, vermutlich angeregt und mit ausgearbeitet von Arminius, um die aufständigen Sugambrer endgültig niederzuwerfen, könnte so wie hier dargestellt abgelaufen sein: Sein Legat und Neffe Asprenas bekam die Aufgabe zugeteilt, mit zwei Legionen von Nimwegen aus, über den Rhein zu setzen, um dann von Westen kommend in die Hooge Veluwe einzumarschieren. Arminius sollte mit seinen beweglichen germanischen Einheiten von der Ems, aus dem Osten, dieses Gebiet erreichen. Gleichzeitig würde Varus selbst seine drei Legionen mit den zugehörigen Hilfstruppen, die in Vetera, Haltern und Delbrück Anreppen stationiert waren, über Raesfeld durch den Niederländischen Achterhoeck vorantreiben, um dann die Hooge Veluwe, von südlicher Richtung kommend, erreichen zu können. Durch diese drei Armeen die von drei verschiedenen Richtungen in das Territorium der Sugambrer eingezogen wären, müsste es jetzt endlich möglich sein, diesen permanent aufsässigen germanischen Stamm endgültig zu besiegen. Für die Sugambrer gäbe es bei dieser Konstellation keine Möglichkeit mehr, sich irgendwohin zurückzuziehen so wie es bei früheren Gelegenheiten der Fall war, und bei diesem massiven Truppenaufgebot wäre eine Vernichtung dieses Germanenstammes unausweichlich.



Im Grunde war dieses Vorgehen aus der Sicht von Varus nur eine relativ kleine militärische Aktion, wie sie auf Seiten der Römer in ähnlicher Weise schon oftmals erfolgreich praktiziert wurde. Durch diese offensichtliche Überlegenheit wurde Varus leichtsinnig, er glaubte ja, dass er nur einen begrenzten Aufstand niederschlagen muss, und wagte mit seinen Truppen die Durchquerung des unsicheren Geländes im Achterhoek. Auch die offensichtliche Nähe zum Rhein machte Varus und die römische Führung leichtsinnig. Arminius und sein Heer zogen aus östlicher Richtung kommend, auf Pfaden die nur Eingeweihten zugänglich waren, bis zu dem Weg den Varus mit seinen Legionen benutzen musste. Der schmale passierbare Flugsandrücken der sich durch das seinerzeit morastige Gebiet des Achterhoeks zieht, und den die Römer als Anmarschweg in die Hooge Veluwe benutzen mussten, war das ideale Gelände um die Römer zu attackieren. Verborgen in den ausgedehnten Sumpfgebieten, zu denen die römischen Späher keinen Zugang hatten, konnten sie in Ruhe Varus und sein Heer erwarten, ohne Gefahr zu laufen, entdeckt zu werden.

Es sind oftmals Berechnungen aufgestellt worden, welche Truppenstärke das germanische Heer hatte, das sich den Varuslegionen entgegenstellte. In günstigsten Aufstellungen wird von einem den Römern ebenbürtiges Aufgebot gesprochen, oftmals wird aber das germanische Heer als zahlenmäßig weit überlegen beschrieben. Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass die Germanen in der Lage waren, die Römer mit einer weit geringeren Truppenmacht zu schlagen als größtenteils angenommen. Denn bei dieser gewählten Kampftaktik war es nicht erforderlich den Römern ein großes Heer entgegenzustellen. Es genügte, nur an gewissen für einen Überraschungsangriff geeigneten Orten, eine größere Anzahl von Kriegern zu konzentrieren, um mit ihnen die Marschkolonne der Römer zu durchbrechen.

Varus steckte vermutlich sein erstes Marschlager am Ende des etwa 7 Kilometer langen Rominendijks, bei Varsseveld in der Gegend des Tanzlokals „de Radstarke“ ab. Ab diesem Zeitpunkt haben die Germanen, die wahrscheinlich bei Harreveld die Römer erwarteten, schon den Rückzugsweg der Römer bei der Gaststätte Rominendaal, unbeachtet von der römischen Nachhut blockiert. Am nächsten Tag brach das römische Heer auf, um über einen etwa 10 Kilometer langen und schmalen Flugsandrücken in Richtung Zelhem zu marschieren. Dieser langgezogene Sandrücken, der teilweise weniger als fünfzig Meter breit ist, erlaubte den drei Legionen nur einen Vormarsch in enger und lang gezogener Aufstellung, ohne Gelegenheit sich in einer Schlachtformation zu positionieren, und dadurch einen geordneten Abwehrkampf zu führen. Hier konnten die Germanen die ersten vorentscheidenden Attacken vortragen, denn hier bot sich dem Heer des Arminius die Achillesferse der Römer.

Behindert durch die schwere Ausrüstung, die in der Regel bis zu fünfzig Kilogramm wog, und benachteiligt durch ihre durchweg geringere Körpergröße, waren die Römer nicht in der Lage den Angreifern, nach einer in Guerillamanier vorgetragenen Attacke, nachzusetzen. Denn die Legionäre drohten in dem unübersichtlichen sumpfigen Gelände stecken zu bleiben, oder gar zu versinken. Die Germanen jedoch besaßen in diesem Gebiet eine gute Ortskenntnis und waren durch ihre leichte Bewaffnung viel beweglicher als die römischen Soldaten. Sie konnten sich unbehelligt der Marschkolonne nähern und beliebig einen massiven Überraschungsangriff gegen den Tross vortragen, dort wo er gerade am verwundbarsten war, um sich danach wieder in dem für die Römer unzugänglichen Gelände zurückzuziehen. Eine oberflächliche Beschreibung dieser widrigen Umstände gab uns Velleius Paterculus mit dieser Textstelle: „Die tapferste Armee von allen, führend unter den römischen Truppen, was Disziplin, Tapferkeit und Kriegserfahrung angeht, wurde durch die Indolenz des Führers, die betrügerische List des Feindes und die Ungunst des Schicksals in einer Falle gefangen. Weder zum Kämpfen noch zum Ausbrechen bot sich ihnen, so sehnlich sie es sich auch wünschten, ungehindert Gelegenheit, ja, einige mussten sogar schwer dafür büßen, dass sie als Römer ihre Waffen und ihren Kampfgeist eingesetzt hatten. Eingeschlossen in Wälder und Sümpfe, in einem feindlichen Hinterhalt, wurden sie Mann für Mann abgeschlachtet, und zwar von demselben Feind, den sie ihrerseits stets wie Vieh abgeschlachtet hatten- dessen Leben und Tod von ihrem Zorn oder ihrem Mitleid abhängig gewesen war.“ Wie dieser Kampf im genauen ausgesehen haben könnte, beschreibt Tacitus eindrucksvoll in seiner Darstellung der Schlacht an den Langen Brücken, wo Caecina den Angriff der Germanen nur mit Mühe abwehren konnte: „Und überall stellten sich die gleichen Schwierigkeiten den Römern in den Weg: Das grundlose Sumpfgelände, auf dem man nicht fest auftreten konnte und beim Vorwärtsgehen ausglitt, das Gewicht der Panzer, das auf dem Körper lastete, die Unmöglichkeit, im Wasser stehend die Wurfspeere zu schwingen. Dagegen waren die Cherusker an den Kampf im Sumpfgelände gewöhnt, waren hochgewachsen, führten gewaltige Lanzen, mit denen sie auch auf größere Entfernung ihre Gegner verwunden konnten.“

Es ist gut Vorstellbar, welches Chaos diese Kampftaktik bei den römischen Legionären auslöste, die nicht wussten von woher sich der Feind bei seiner nächsten Attacke zeigen würde. Die ersten germanischen Angriffe galten vermutlich dem Ende der Marschkolonne, um die Römer von einem Rückweg abzuschneiden, und sie gleichzeitig dazu veranlassen immer tiefer in den Achterhoek hineinzuziehen. Zugleich boten die ersten Angriffe für Varus den Anlass, weiter in Richtung Hooge Veluwe zu ziehen, denn dort erwartete er die rettende Vereinigung mit den Legionen des Asprenas.

Im späteren Verlauf der Schlacht zielten die germanischen Angriffe auf die Versorgungseinheiten oder schlechter geschützten Teile der römischen Armee, in der Mitte der Marschtruppe. Dadurch wurde die Marschformation aufgesprengt und auseinander gerissen. Bevor sich die römischen Legionäre für einen geordneten Abwehrkampf formieren konnten zogen sich die Germanen wieder in den Sumpf zurück, um dann an einer anderen Stelle der Kolonne zuzuschlagen. Hals über Kopf flüchtende Römer brachten auf der schmalen Trasse die Wehrbereiten in Unordnung, so dass es für die römischen Befehlshaber unmöglich wurde, eine koordinierte Gegenwehr zu organisieren.



Teil des Höhenzuges zwischen dem Lokal Radstake und Zelhem


Den Fehler den Varus vermutlich zu diesem Zeitpunkt machte, und was von den über diese Abläufe berichtenden Autoren als Unschlüssigkeit und mangelnde Indolenz ausgelegt wurde, ist das Festhalten an seinem Vorhaben die Hooge Veluwe zu erreichen. Hätte er frühzeitig und unnachgiebig versucht mit seinem Heer die Abriegelung der Germanen nach hinten zu durchbrechen und zu seinem Ausgangspunkt zurückzukehren, so wäre der Verlust bei seinen Legionen bei weitem nicht so gravierend gewesen. Stattdessen zog er, nachdem die Engstelle des Flugsandrückens überquert war, immer tiefer in den von Bruchwald bewachsenen und teilweise staunassen Achterhoeck hinein, und setzte sein Heer, in dem unübersichtlichen und sumpfigen Gelände, weiterhin den überraschenden Attacken der Germanen aus. Das Ende dieser Vernichtungsschlacht hätte sich demnach in dem Gebiet zwischen Warnsveld, Doetichem und Zelhem zugetragen. In dieser verfahrenen Situation befand sich die Varusarmee schon in der Auflösung, und verschiedene Truppenteile versuchten sich auf eigene Faust in Sicherheit zu bringen. So versuchte der Reiterpräfekt Numerus Vala, mit seinem Reiterheer, den nur etwa 20 Kilometer Luftlinie weit entfernten Rhein zu erreichen. Aber nach der mehrdeutigen Aussage von Velleius Paterculus erreichte er vermutlich sein Ziel nicht, sondern fiel mit seiner Abteilung auch den germanischen Angriffen zum Opfer.

Ein anderer großer Teil des Varusheeres hat eventuell versucht, durch Rückzug über den Anmarschweg auf dem Sandrücken, zum ersten Varuslager, bei Varsseveld, sein Heil zu suchen. So kann die Aussage von Tacitus gedeutet werden, der davon berichtet, dass die zusammengeschmolzenen Reste des römischen Heeres im ersten Varuslager zusammenkamen und dort erneut lagerten. Ob diese dem Desaster entkommen konnten ist nicht zu klären. Andere Truppenteile mögen über eine rheinnähere Route versucht haben sich zu retten. Obwohl der überwiegende Teil der Varuslegionen im Laufe der Kampfhandlungen vernichtet wurde, gelang es, nach verschiedenen histographischen Aussagen, doch einigen versprengten Römern sich bis zum etwa 30 Kilometer entfernten Römerlager Aliso durchzuschlagen. Während die siegreichen Germanen nach der Varusschlacht alle rechtsrheinischen römischen Stützpunkte eroberten, schaffte es die Besatzung von Aliso die germanischen Angriffe auf dieses Lager abzuwehren und sich durch eine anschließende tollkühne Flucht in Sicherheit zu bringen.


Zusammenfassung

Nachfolgend muss man resümierend bemerken, dass es nach Abwägung aller angesprochenen Indizien keinen anderen Aliso- und Varusschlachtkandidaten gibt, der sich dermaßen im Einklang mit der histographischen Überlieferung, mit den Resultaten der archäologischen Forschung, und landschaftlicher sowie militärischer Gegebenheiten befindet, wie diese beschriebenen Gebiete im Isselbruch und im niederländischen Achterhoek.

Das bisher noch keine aussagekräftigen archäologischen Funde dokumentiert worden sind, ist nur im ersten Moment ein Manko dieser These, denn da für das Gebiet im niederländischen Achterhoek noch keine Sensibilisierung als mutmaßlicher Ort der Varusschlacht stattgefunden hat, sind vermeintliche Funde noch nicht als solche erkannt und dementsprechend eingeordnet worden. Und auch die Tatsache, dass von den vielen ehemaligen Schlachtfeldern zwischen Römern und Germanen, die es auf der rechten Rheinseite gegeben haben muss, bisher nur ein einziges zweifelsfrei lokalisiert wurde, zeigt die Schwierigkeit auf derartige Örtlichkeiten, auf dem sich ein Geschehen nur kurzzeitig abspielte, in der Landschaft aufzuspüren. 

Diese hier vorliegende Erforschung wird hoffentlich ein Grundstein für nachfolgende präzisere Untersuchungen sein, die dieses bisher ungelöste Rätsel in unserer europäischen Vergangenheit endgültig zur Zeit seines zweitausendsten Jahrestages entschlüsseln werden.

Und speziell zur politischen Bedeutung Varusschlacht sei angemerkt, dass dieses Ereignis, welches in der Vergangenheit oftmals als die Gründung der deutschen Einheit gedeutet wurde, in der Realität gar nicht allein nur auf heutigen deutschen Boden ausgefochten worden ist. Somit entfällt alles was bisher an Nationalismus in diese Schlacht hineininterpretiert wurde, und bietet nun aber gleichzeitig die Möglichkeit, unverkrampft mit diesem frühgeschichtlichen Ereignis umzugehen, und es als das zu sehen was es in Wirklichkeit einmal war. Eine Episode der Geschichte.



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